§ 6 Abs. 3 EStG bei Übertragung eines LuF-Betriebs trotz zurückbehaltener Flächen

24.03.2025

Einkommensteuer

§ 6 Abs. 3 EStG bei Übertragung eines LuF-Betriebs trotz zurückbehaltener Flächen

iww.de/mbp Abruf-Nr. 245929 Bei einer steuerbegünstigten Betriebsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG kann der Zurückbehalt von Flächen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs auch dann unschädlich sein, wenn diese mehr als 10 % der Fläche des Betriebs ausmachen (FG Düsseldorf 22.11.24, 3 K 2604/21 E, keine Rev. zugelassen).

1. Hintergrund

Es müssen alle wesentlichen Teile des Betriebsver-mögens übergehen
Wird ein Betrieb unentgeltlich (z. B. auf ein Kind) übertragen, führt dies nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven. Vielmehr sind vom Betriebsübernehmer die Buchwerte fortzuführen (§ 6 Abs. 3 EStG). Eine steuerbegünstigte Betriebsübertragung i. S. des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG liegt allerdings nur vor, wenn der Betrieb als organisatorische Einheit erhalten bleibt. Dies setzt voraus, dass alle wesentlichen Teile des Betriebsvermögens auf den Rechtsnachfolger übergehen.

Was unter den „wesentlichen Teilen des Betriebsvermögens“ zu verstehen ist, beurteilt sich nach der funktionalen Betrachtungsweise. Dabei sind alle Wirtschaftsgüter als funktional wesentlich anzusehen, die für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht haben, mithin für die Fortführung des Betriebes notwendig sind oder dem Betrieb das Gepräge geben. Ein Grundstück ist für den Betrieb wesentlich, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit bildet und es dem Unternehmen ermöglicht, seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Ob in dem Wirtschaftsgut erhebliche stille Reserven enthalten sind, ist bei der rein funktionalen Betrachtungsweise unerheblich.

Beachten Sie | Fraglich ist, ob § 6 Abs. 3 EStG auch dann noch greift, wenn anlässlich der Betriebsübertragung Wirtschaftsgüter in nicht unerheblichem Umfang zurückbehalten werden. Mit dieser Problematik musste sich nun das FG Düsseldorf befassen.

2. Sachverhalt

Übertragung eines LuF-Betriebs unter Zurückbehaltung einer Weidefläche
2013 übertrug die Mutter ihren verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb (Gesamtfläche von 136.335 qm) gegen Versorgungsleistungen auf ihren Sohn. Eine 25.180 qm große Weidefläche, die sie seit 1976 an fremde Landwirte verpachtet hatte, behielt sie jedoch zurück. Die Weidefläche übertrug sie anschließend unentgeltlich auf ihre Töchter unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts.

Das FA lehnte die Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG ab und deckte sämtliche stillen Reserven auf, da es die zurückbehaltene Weidefläche mit 18,5 % der Gesamtfläche als zurückbehaltene wesentliche Betriebsgrundlage ansah. Aufgrund der Größe der zurückbehaltenen Fläche von mehr als 10 % vertrat das FA die Auffassung, dass zwischen dem bisherigen und dem übertragenen Betrieb keine Identität mehr gegeben war.

3. Entscheidung und Relevanz für die Praxis

Das FG Düsseldorf gab der hiergegen gerichteten Klage bzw. der Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG im Wesentlichen statt. Es stellte zunächst heraus, dass es keinen Grundsatz gibt, wonach § 6 Abs. 3 EStG bei einer Zurückbehaltung von mindestens 10 % der Wirtschaftsgüter automatisch keine Anwendung mehr findet. Zudem stellte die Weidefläche trotz ihrer Größe keine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Denn sie wurde seit 1976 durchgehend verpachtet und war für den Ackerbaubetrieb nicht benötigt worden.

Beachten Sie | Die Übertragung der Weidefläche war jedoch nicht begünstigt. Insbesondere handelte es sich bei dem Grundstück um keinen Teilbetrieb. Vielmehr hat die Mutter das Grundstück in dem Zeitpunkt, als sie den Hof ohne dieses Grundstück auf ihren Sohn übertrug, i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG entnommen (keine Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG).

Die Flächen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs stellen regelmäßig wesentliche Betriebsgrundlagen dar, sodass sie bei der Übergabe des Hofs grundsätzlich mitübertragen werden müssen. Allerdings wird der Zurückbehalt kleinerer Flächen in Rechtsprechung und Literatur als unschädlich angesehen, wobei zum Teil auf eine Grenze von 10 % abgestellt wird (so z. B. BFH 24.2.05, IV R 28/00). Betragen die zurückbehaltenen Flächen weniger als 10 % der Gesamtfläche, soll (bereits) dieser Umstand dafür sprechen, dass es sich nicht um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt.

Merke | Allerdings gibt es keinen Automatismus, dass bei Überschreiten der 10 %-Grenze stets eine wesentliche Betriebsgrundlage vorliegt. Vielmehr kommt es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an (BFH 28.3.85, IV R 88/81).

Das FG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung einige denkbare Fälle aufgeführt, in denen auch größere land- und forstwirtschaftliche Flächen nicht zwingend eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen müssen:

Eine Eigenbewirtschaftung scheidet aus objektiven Gründen aus, weil das Grundstück seiner Art nach nicht zum konkreten Betriebszweck passt (z. B. eine Weidefläche im Betriebsvermögen eines Weinguts).

Eine landwirtschaftliche Nutzung ist nicht möglich (z. B. bei unfruchtbarem Brachland und naturschutzrechtlich geschützten Flächen).

Merke | Die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen kann auch zu verneinen sein, wenn eine eigenbetriebliche Nutzung zwar objektiv möglich wäre, aber seit erheblicher Zeit nicht (mehr) stattgefunden hat. Dies wäre z. B. der Fall, wenn der Betriebsinhaber die Flächen brach liegen lässt oder sie verpachtet. Hier gilt folgender Grundsatz: Je länger ein Wirtschaftsgut nicht eigenbetrieblich genutzt wird, desto offensichtlicher ist dessen fehlende Bedeutung für die Betriebsführung.