10 %ige Beteiligungsschwelle durch Blockerwerb von mehreren Veräußerern erreichbar

29.04.2024

Von der Körperschaftsteuer sind Ausschüttungen nur dann befreit, wenn die Beteiligung an der Körperschaft zu Beginn des Kalenderjahrs unmittelbar mindestens 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Dabei gilt der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % im laufenden Jahr als zu Beginn des Kalenderjahrs erfolgt (§ 8b Abs. 4 KStG). Der BFH (6.9.23, I R 16/21) hat nun entschieden, dass der Gesetzeswortlaut so auszulegen ist, dass die Beteiligungsschwelle auch durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge erreicht werden kann – zumindest bei einem wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang.

Körperschaftsteuerpflicht bei Streubesitzanteilen

10 %ige Beteiligungsschwelle durch Blockerwerb von mehreren Veräußerern erreichbar

Von der Körperschaftsteuer sind Ausschüttungen nur dann befreit, wenn die Beteiligung an der Körperschaft zu Beginn des Kalenderjahrs unmittelbar mindestens 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Dabei gilt der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % im laufenden Jahr als zu Beginn des Kalenderjahrs erfolgt (§ 8b Abs. 4 KStG). Der BFH (6.9.23, I R 16/21) hat nun entschieden, dass der Gesetzeswortlaut so auszulegen ist, dass die Beteiligungsschwelle auch durch mehrere unterjährige Erwerbsvorgänge erreicht werden kann – zumindest bei einem wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang.

1. Grundsätzliche Steuerbefreiung und Beteiligungsschwelle

Die Gewinnausschüttungen (z. B. einer Kapitalgesellschaft), die eine Körperschaft erhält, bleiben gemäß § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens unberücksichtigt, soweit die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben. Das gilt nach § 8b Abs. 4 S. 1 KStG allerdings nur dann, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahrs unmittelbar nicht weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Ist ein Grund- oder Stammkapital nicht vorhanden, ist die Beteiligung an dem Vermögen (bei Genossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben) maßgebend.

Merke | Von den Bezügen i. S. des § 8b Abs. 1 KStG, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, gelten 5 % als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 5 S. 1 KStG). Dies gilt unabhängig davon, ob und in welcher Höhe die empfangende Körperschaft tatsächlich Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung (z. B. Depotgebühren oder Finanzierungszinsen) hatte.

Beispiel 1

Die A-GmbH hält am 1.1.24

a) 5 % und b) 20 % an der B-AG.

Die B-AG schüttet ihren Gewinn am 10.1.24 aus.

Lösung: Im Fall a) wurde die Beteiligungsschwelle i. S. des § 8b Abs. 4 S. 1 KStG nicht erreicht. Dies hat zur Folge, dass § 8b Abs. 1 KStG nicht gilt und die Gewinnausschüttung das Einkommen der A-GmbH erhöht (also faktisch steuerpflichtig ist). Dagegen ist die Ausschüttung im Fall b) steuerfrei. Nach § 8b Abs. 5 S. 1 KStG gelten jedoch 5 % als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben.

Der Gesetzgeber wollte im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer belasten. Mit der Befreiung durch § 8b Abs. 1 KStG sollen Kumulations- oder Kaskadeneffekte in Beteiligungsketten vermieden werden, die sich anderenfalls ergeben würden.

Die unterschiedliche Behandlung der Erträge aus Beteiligungen (je nach der Beteiligungshöhe) hat der Gesetzgeber dadurch gerechtfertigt, dass bei einer Streubesitzbeteiligung (unter 10 %) diese als Kapitalanlage angesehen wird, weil häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt werde. Entsprechend könne der Anteilseigner aufgrund der Höhe seiner Beteiligung keinen unternehmerischen Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausüben, während bei einer Beteiligung von mindestens 10 % regelmäßig ein betriebliches Engagement des Anteilseigners unterstellt werden könne (vgl. BR-Drs. 632/1/12).

Beachten Sie | Die Regelung des § 8b Abs. 4 KStG ist nicht verfassungswidrig (BFH 18.12.19, I R 29/17). Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 8.3.22, 2 BvR 1832/20).

2. Behandlung von unterjährig erworbenen Anteilen

Maßgeblich ist die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahrs. Der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % gilt nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG als zu Beginn des Kalenderjahrs erfolgt.

Beispiel 2

Die X-GmbH hält am 1.1.24 keine Anteile an der Y-AG. Am 25.3.24 erwirbt sie 15 % der Aktien. Die Y-AG schüttet am 23.4.24 insgesamt 100.000 EUR aus. Hiervon entfallen folglich 15.000 EUR auf die X-GmbH.

Lösung: Der Erwerb gilt als zu Beginn des Jahres erfolgt. Damit ist die Voraussetzung des § 8b Abs. 4 S. 1 KStG erfüllt und die Ausschüttung ist für die X-GmbH steuerfrei (5 % gelten als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben).

Abwandlung: Die X-GmbH hält zu Jahresbeginn bereits 5 %.

Lösung: Nach Auffassung der OFD Frankfurt (16.8.21, S 2750a A-027-St 52) gilt die Rückbeziehung eines Erwerbs im laufenden Kalenderjahr auf den Beginn des Kalenderjahrs nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG ausschließlich für den Erwerb eines Anteilspakets von mindestens 10 % durch einen einzelnen Erwerbsvorgang. Die Regelung hat keine Auswirkung auf die Behandlung von Anteilen, die zum Beginn des Kalenderjahrs bereits bestehen. Steuerfreiheit besteht insofern nur hinsichtlich der erworbenen Anteile von 15 % (= 15.000 EUR). Für die bereits vorhandenen Streubesitzanteile (5 % = 5.000 EUR) erfolgt keine Steuerfreistellung.

Fraglich ist, wie ein Erwerb von verschiedenen Veräußerern zu beurteilen ist, wenn zwar insgesamt mehr als 10 % erworben werden, aber die einzelnen Käufe für sich genommen die Beteiligungsschwelle von 10 % nicht erreichen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung (OFD Frankfurt a. a. O.) muss der jeweilige Erwerb mindestens 10 % betragen, um unter die Begünstigung des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG zu fallen. Höchstrichterlich war die Frage allerdings bisher noch nicht geklärt.

Nunmehr hat der BFH (6.9.23, I R 16/21) entgegen der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass die in § 8b Abs. 4 S. 6 KStG angeführte Beteiligungsschwelle auch durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang erreicht werden kann, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.

Es kann aus der maßgeblichen Sicht des Erwerbers und angesichts des Ausnahmecharakters des § 8b Abs. 4 KStG keinen Unterschied machen, ob der Erwerb von einem Veräußerer oder von mehreren Veräußerern erfolgt. Entscheidend muss sein, dass durch den Erwerb der Beteiligung von mindestens 10 % ein unternehmerischer Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann oder nicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Erwerb in einem einheitlichen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht.

Beispiel 3

Wie Beispiel 2 (Ausgangsfall), nur erwirbt die X-GmbH die insgesamt 15 % von den Erwerbern A (4 %), B (5 %) und C (6 %) in einer notariellen Urkunde.

Lösung: Nach Ansicht des BFH handelt es sich um einen wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang. In dem Fall ist es ohne Bedeutung, dass an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind. Der Erwerb gilt als zu Beginn des Kalenderjahrs erfolgt (§ 8b Abs. 4 S. 6 KStG). Die Lösung entspricht damit der aus Beispiel 2 (Ausgangsfall).

Beachten Sie | Leider hat der BFH nicht entschieden, wie ein Erwerb zu beurteilen ist, wenn er nicht in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang erfolgt. In diesen Fällen werden die Finanzämter daher vermutlich auch künftig (bis zu einer ggf. weiteren positiven Entscheidung des BFH) eine restriktive Sichtweise vertreten.

Beispiel 4

Wie Beispiel 3, allerdings erfolgt der Erwerb von A (4 %), B (5 %) und C (6 %) in drei notariellen Urkunden am 12.1.24, 14.2.24 und 25.3.24.

Lösung: In diesem Fall ist der Erwerb nicht in einem einheitlichen Erwerbsvorgang erfolgt. Dieser Fall wurde nicht vom BFH entschieden. Die Finanzverwaltung ist hier der Ansicht, dass § 8b Abs. 4 S. 6 KStG nicht anzuwenden ist, da nicht in einem Erwerbsvorgang mindestens 10 % erworben wurden.